Buchtipp - Ulrike Scheuermann : “Das Leben wartet nicht. 7 Schritte zum Wesentlichen”

Ulrike Scheuermann
Das Leben wartet nicht
7 Schritte zum Wesentlichen

Eines vorab: Ulrike Scheuermanns Buch „Das Leben wartet nicht“ ist ein intensives Buch! Intensiv, weil es nicht nur zum Lesen und Nachdenken anregt, sondern den Leser animiert, ja geradezu fordert, mitzumachen. Und dies ist bei diesem existentiellen Thema – Sinnfindung im eigenen Leben – auch notwendig. Der Büchermarkt ist zwar mit Titeln zum „Sinn des Lebens“ nahezu übersättigt, aber es mangelt an umsetzbaren Ratschlägen. Nicht jeder kann sich eine Auszeit nehmen um sich selbst zu finden, wenn er berufliche und familiäre Verpflichtungen hat. Selbstverständlich wird auch Zeit für das Durcharbeiten des Buches gefordert. Aber diese "Arbeitszeit" ist überschaubar und lässt sich mit einer gewissen Planung gut im Alltag integrieren. Lohnend ist es allemal.

Wie kann ich in meinem Leben Sinn erkennen? Welche Beziehungen will ich klären? Was will ich erreichen und welche Spuren möchte ich damit hinterlassen? Das sind zentrale Fragen, die Ulrike Scheuermann in ihrem Buch dem Leser stellt. Und was das Besondere ist:
Die Autorin eröffnet dem Leser ihre Sicht aus der Perspektive vom Ende des Lebens.

Droemer Knaur

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So beginnt das Buch auch mit „Wenn morgen mein letzter Tag wäre“ - eine Überlegung, die nicht neu ist (man denke an die Sentenz „Carpe Diem“ des römischen Dichters Horaz), aber im alltäglichen Leben der Menschen eher theoretisches Konstrukt bleibt. Wenn man diese Grenze des Lebens akzeptiert, verinnerlicht und als enorme Chance begriffen hat, lassen sich alltägliche Probleme ganz anders einordnen.
Das Buch gliedert sich in 7 Kapitel: 1. „Der Fluss – Überblick gewinnen“, 2. „Die Ozeanfahrt – Werte gewichten“, 3. Die Frist – Den Fokus finden“, 4. „Die letzte Vorlesung – Weisheit entdecken“,  5. „Die menschlichen Spuren – Selbstbewusstsein entwickeln“, 6. Die drei Briefe – Beziehungen heilen“, 7. Der Eintrag im Tagebuch – Liebe geben.“

Ulrike Scheuermann ist nicht nur Psychologin, sondern auch Kommunikationsmanagerin und Schreibberaterin. Und das merkt der Leser sehr schnell, denn er wird innerhalb der einzelnen Kapitel zu den verschiedensten Übungen eingeladen. Es ist ihr Anliegen, neben dem lesen das Schreiben als Denk- und Lernwerkzeug zu nutzen und zu vermitteln.
Die Kombination von hinführendem Text und praktischen Übungen (Schreiben, Zeichen/Malen) macht das Buch zu einem Arbeitsbuch, für das man sich Zeit nehmen sollte. Sicher kann es auch erst einmal genügen, den Text zu lesen und zu verinnerlichen – und die Übungen „im Geiste“ zu machen.
Ein kurzes Beispiel aus dem 3. Kapitel sei an dieser Stelle angeführt: „Stell dir vor…“mit der anschließenden Übung „Noch sieben Monate“. Hierbei geht es um eine ärztliche Diagnose, die einem Patienten nur noch sieben Monate zu leben voraussagt (der Mann ist am fiktiven Virus „RG6-Virus“ erkrankt). Nun erläutert der Arzt dem Patienten den Verlauf dieser letzten sieben Monate. Dabei stellt sich heraus, dass die letzte Lebensphase zwar begrenzt ist, aber durchaus angenehm für den Betroffenen gestaltet werden kann (2 Monate vor dem Tod: „Die Betroffenen können nur noch eine Handlung pro Tag ausführen. Sie schwingen empathisch mit anderen Menschen mit und fühlen fremde und eigene Gefühle überaus klar“). In der dazugehörigen Übung soll der Leser nun selbst seine letzten sieben Monate entwerfen: Was wäre noch zu tun, was wäre wichtig und wozu ist man bisher nie gekommen? Was wäre, wenn diese letzten Monate die besten des Lebens würden? Durch diese Fragestellungen wird das Nachdenken zum eigenen Ende eine durchaus erfreuliche Angelegenheit. Dies und viele weitere Übungen sind Anregungen – denn die Realität sieht in der Regel anders aus: Die Diagnose einer tödlichen Krankheit führt vielfach in eine Depression, die Gedanken kreisen um die nötigsten Verrichtungen.
Interessant bei diesem Nachdenken ist auch der Hinweis auf die Planung seiner eigenen Beerdigung und welchen Satz man vor seinem Tod sagen möchte.
Den Abschluss des Kapitels bildet ein schöner Satz von Ulrike Scheuermann: „Wer die Möglichkeit des Sterbens mit seinem Schrecken, aber schließlich auch mit Akzeptanz erlebt, kann zu mehr Stärke und Ruhe in sich finden, statt ständig vor einer nebulösen Bedrohung davonzulaufen. Sie bauen kraftraubende Verdrängungsmechanismen ab.“
Ein Satz, der in jeder Einleitung zum Thema „Vorsorge“ stehen sollte – und der nicht permanent das Damoklesschwert der finanziellen Belastung für Angehörige beschwört.

Für das Buch wäre bei einer neuen Auflage ein größeres Format zu wünschen, denn es ist eben auch ein Übungsbuch. Da vermisst man es schon, dass man beim Lesen nicht gleich im Buch loslegen kann mit Notizen, Zeichnungen etc.
Ansonsten ist „Das Leben wartet nicht“ überaus anregend und jedem zu empfehlen, der Sinn und Klarheit im Leben finden möchte.

Zur Autorin:
Ulrike Scheuermann ist Diplompsychologin, Coach und Autorin. Sie war lange in der ambulanten Krisenberatung tätig und begleitet seit fünfzehn Jahren Menschen bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung sowie beim Schreiben. Mit Vorträgen und Seminaren vermittelt sie ihre Themen einem breiten Publikum. Die Autorin lebt in Berlin.

Ulrike Scheuermann
Das Leben wartet nicht
7 Schritte zum Wesentlichen
Knaur TB
224 S., EUR (D) 9,99
ISBN3-426-87555-1
ISBN 978-3-426-87555-1

 

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