Buchtipp - Stefanie Rüter: “Friedwald – Waldbewusstsein und Bestattungskultur”

Stefanie Rüter: Friedwald – Waldbewusstsein und Bestattungskultur.
Münster u. a. 2011,
192 Seiten, farbiger Abbildungsteil

Die zur Kategorie der Naturbestattungen zählenden Baum- bzw. Waldbestattungen gewinnen seit Jahren immer stärkere Akzeptanz.
Zumeist unter den Begriffen "Friedwald" und "Ruheforst" kommerziell vermarktet, gehören sie zu den beherrschenden Themen innerhalb der neuen Bestattungskultur. Der erste „Friedwald“ wurde 2001 im Reinhardswald bei Kassel eröffnet – somit besteht dieses Angebot nun seit 10 Jahren in Deutschland.
Auch die Kulturwissenschaften haben sich nach und nach den neuen Bestattungsformen gewidmet. Nach Sylvie Assigs 2007 publizierter Studie über "Waldesruh statt Gottesacker. Der Friedwald als neues Bestattungskonzept" legt nun die Münsteraner Ethnologin Stefanie Rüter ihre detaillierte Studie zum Thema vor.

Waxmann Verlag

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Die Autorin behandelt zunächst die kultur- und sozialgeschichtlichen Dimensionen von "Tod und Natur", bevor sie das "Friedwald"-Konzept im Einzelnen vorstellt. Anschließend werden Interviews mit beteiligten Akteuren ausgewertet: Darunter "Friedwald"-Förster, Personen, die Angehörige in einem "Friedwald" bereits beigesetzt haben bzw. dies für sich vorsehen.  Abschließend wird die "Friedwald"-Bestattung zeichenhaft (semiotisch)  im Kontext von Waldbewusstsein, Natursehnsucht und Transzendenz analysiert. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich in Kapitel 5 Rüter zwar dem Aspekt „Semiotik“ widmet, jedoch grundlegende Forschungen dazu leider nicht berücksichtigt. So wurde bereits im Jahre 1989 in der renommierten Zeitschrift für Semiotik (Deutsche Gesellschaft für Semiotik e.V./DGS) dem Thema „Friedhofskultur“ eine eigene Ausgabe gewidmet. Darin dann einzelne Beiträge zum Zeichensystem von Friedhöfen und deren „kulturellen Texten“. Hierin sind wesentliche Untersuchungen entstanden, die insbesondere im Kontext der „neuen Bestattungsformen“ bis heute zu wenig berücksichtigt werden.

Dennoch: Neben der inhaltlichen Tiefe der Studie beeindruckt die breite Quellenbasis, die neben der Sekundärliteratur besonders auch Interviews sowie ausführlich rezipierte Quellen aus Internet, TV und Rundfunk umfasst. Es ist sicher ein großer Gewinn, dass Stefanie Rüter in dieser Studie insbesondere diejenigen Menschen zu Wort kommen lässt, die bereits einen Angehörigen im Friedwald beigesetzt oder einen Baum für sich erworben haben (sich also diese Bestattungsform für sich vorstellen können).

Es sind gewiss zunehmend die Vorstellungen und Gefühle, die das Handeln der Menschen bestimmen – und somit Rückschlüsse auf gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen zulassen.
Stefanie Rüters Buch ist – trotz der o.g. Einschränkungen – eine lesenswerte Studie mit großem Erkenntnisgewinn und eine hervorragende Ergänzung zu Sylvie Assigs Studie „Waldesruh statt Gottesacker“ aus dem Jahre 2007.


Autoreninfo:
Stefanie Rüter M.A., Kulturwissenschaftlerin, Jg. 1978, Studium der Volkskunde/Europäischen Ethnologie, Ethnologie (Völkerkunde) sowie der Niederländischen Philologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Auslandssemester an der Vrije Universiteit Amsterdam. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (Institut für Soziologie) mehrmonatiger Aufenthalt in Namibia. Magister Artium 2008.


Stefanie Rüter
Friedwald
Waldbewusstsein und Bestattungskultur
Münster 2011,
176 Seiten, broschiert, mit zahlreichen, meist farbigen Abbildungen,
24,90 €,
ISBN 978-3-8309-2356-5
Waxmann Verlag

 

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