Buchtipp - Klaus Feldmann: “Tod und Gesellschaft”

Klaus Feldmann:
Tod und Gesellschaft
Sozialwissenschaftliche Thanatologie im Überblick
2., überarbeitet Aufl. 2010.

Viele haben auf diese zweite, überarbeitet Auflage gewartet. Denn es ist einiges passiert seit 2004, selbst auf einem derart verdrängten Gebiet wie der Thanatologie.
Feldmann beschreibt in seiner Einleitung die mit der Thematik befassten Wissenschaftler als „nomadisierend“: Das Fachgebiet, das sich mit Sterben, Tod und Trauer beschäftigt, wird von vielerlei Kollegen bearbeitet: So sind neben den „Klassikern“ wie Theologen und Philosophen auch verstärkt Soziologen, Psychologen, Ethnologen und sogar Historiker vertreten.
Feldmann führt auch gleich zu Beginn mehrer Gründe auf, weshalb die Thanatologie wissenschaftlich kaum institutionalisiert ist: Es liegt u.a. an der Differenzierung der Thematik, die von (zu) vielen Disziplinen bearbeitet wird sowie daran, dass „Sterbende und Tote keine Lobby haben“.
Wobei man die letzte Aussage etwas relativieren muss, denn Sterbende haben mittlerweile sehr wohl Fürsprecher. Man denke nur an die Hospizbewegung.  Wer dagegen immer noch völlig allein gelassen wird, sind die vielen Trauervereine und Verbände, da die öffentliche Finanzierung kaum vorhanden ist. Zudem möchte sich für deren Arbeit kaum ein Prominenter - zumindest offiziell - engagieren.

VS Verlag

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Das Buch von Klaus Feldmann stellt einen reichen Fundus zu vielen Aspekten dar:
So geht es u.a. um grundsätzliche Überlegungen einer Soziologie des Sterbens und des Todes, die Sozialgeschichte des Todes, um das Todesbewusstsein in unserer Gesellschaft, um Bürokratisierung und Sterbehilfe, um Erinnerung und soziale Restrukturierung und Spezialthemen wie Suizid, Krieg und die Zukunft des Sterbens und des Todes.
An vielen Stellen des Buches werden althergebrachte Meinungen richtiggestellt bzw. dementiert.
So ist der Aspekt der „Trauer“ in unserer Gesellschaft zwar weiterhin tabuisiert, jedoch auch im Umgang mit Trauernden stark überspannt, ja teilweise sogar exzentrisch: Trauernde sind „besondere“ Menschen mit „besonderen“ Ansprüchen an die Gesellschaft, denen man nicht widersprechen darf.
Feldmann beschreibt die Trauer als „eine soziale Erscheinung, mit Rollen verbunden, ein Erwartungsprodukt“ (S. 245). Und damit hat er Recht. Dazu gehört auch die Tatsache, dass sich Trauernde (abhängig von der Art des Verlustes) oft selbst in eine Art selbstgewählte Opferrolle begeben, in der sie sich mit der Zeit einrichten. Dies sind dann Betroffene, die diesen Status wie eine Standarte vor sich hertragen – und es Außenstehenden und Helfern schwer machen.
Abschließend widmet sich Klaus Feldmann der Frage nach der „Zukunft von Sterben und Tod“.
Er stellte die (provokante) Frage, weshalb die Menschen in den modernen Staaten das Wissen um das Sterben und den Tod eigentlich so klaglos akzeptieren? Warum gibt es kein Aufbegehren, keine öffentliche Kritik an den Arten und Orten des Sterbens?
Weil, so Feldmann, die Menschen in der Regel immer älter, „satter“ an Leben, versterben. Zudem sterben sie schon weit vorher den sozialen Tod: Viele Menschen werden von ihren Angehörigen in Einrichtungen verbracht, die letztlich nur zum Sterben da sind. Und in dieser letzten Lebensphase (besser: Sterbephase) werden die Menschen bereits „verabschiedet“, bevor sie tot sind.
Außerdem folgert Feldmann, hat das Sterben eines Menschen kein Prestige. Es interessiert niemanden, da Sterben nur im privaten Kreis -  und dann in bürokratischen Institutionen, stattfindet.
Viele weitere Argumente folgen, die hier aber nicht vertieft werden können.

Das Buch ist in dieser zweiten Auflage ein unentbehrliches Lese- und Nachschlagewerk zu einem leider immer noch unterbewerteten Thema. Ob die Tatsache, dass Klaus Feldmann sein Studium und die Promotion an der Universität Wien absolviert hat, eine Rolle spielt, ist Spekulation. Aber denkbar ist es - denn nach Georg Kreisler muss „ Der Tod ein Wiener sein“.


Autor:
Dr. Klaus Feldmann ist Professor i.R. am Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität Hannover.

Feldmann, Klaus
Tod und Gesellschaft
Sozialwissenschaftliche Thanatologie im Überblick
2., überarbeitet Aufl. 2010. 284 S. Br.
ISBN: 978-3-531-17350-4

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