Buchtipp - Martina Görke-Sauer: Im Land der Trauer. Abschiedsrituale

Die Trauerliteratur ist in den letzten Jahren zu einem gewaltigen Berg angewachsen. Es gibt viel zu lesen – vielleicht für viele Menschen zu viel, um den Überblick zu behalten.
Oft wird die gängige Literatur zum Thema nur etwas „aufgehübscht“, die verschiedenen Trauerphasen (nach Kübler-Ross etc.) nur etwas weiter umschrieben und /oder abgeändert.
Wirkliche „Ratgeber“, die auch den Test im Alltag bestehen und zu gebrauchen sind, gibt es nicht viele.
Eines davon ist „Im Land der Trauer“ von Martina Görke-Sauer.

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Schon das Cover ist schön: Es erinnert an den Spruch von Thornton Wilder: „Da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten und die Brücke zwischen beiden ist die Liebe - das einzig Bleibende, der einzige Sinn…

Görke-Sauer beschreibt zunächst „Das Gesicht des Todes“: Hier werden die verschiedenen „Anlässe“, die zum Tode führen, beschrieben. Dies beginnt mit „Alter“ und „Krankheit“, über „Suizid“ und „gewaltsamen Tod“ bis zum „Tod eines Kindes“.
Dazu beschreibt Görke-Sauer das „Gesicht der Trauer“: Wie trauern „Männer“ und „Frauen“, wie „Kinder“ und „Partner“, „Freunde“ und „Kollegen“?
Natürlich darf auch in diesem Buch der „Prozess der Trauer“ nicht fehlen. Sehr hilfreich ist hier die Beschreibung der „nicht verarbeiteten Trauer“. Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass eine unzureichende oder nicht geleistete Trauerarbeit pathologisch werden kann. Die daraus resultierenden, einzelnen Katastrophen führen auch im alltäglichen Leben zu enormen Schwierigkeiten, da auf „Trauernde“ im Alltag kaum Rücksicht genommen wird.
Gestörte und anhaltende Trauer bedarf der professionellen Begleitung durch Psychologen etc., da Angehörige mit dieser Situation meist überfordert sind.

Beim „Gesicht der Trauer“ wendet sich Görke – Sauer den Trauernden zu: Männer, Frauen Kinder, Ehe- und Lebenspartner und Freunde und Kollegen. Sie alle trauern anders, das „Gesicht der Trauer“ ist vielfältig und individuell.
Der Abschnitt „Rituale“ nimmt dann den meisten Raum des Buches ein – gleichsam als Gegengewicht zu der einleitenden Feststellung, dass wir in einer Zeit ritueller Verarmung leben. Rituale haben die Funktion, Ordnung zu stiften, an die Gemeinschaft zu binden, wiedererkennbar und wiederholbar zu sein. Besonders bei existenziellen Erfahrungen und Erlebnissen wie Sterben und Tod können Rituale helfen, Halt zu geben. Bedenklich ist auch hier die beschriebene Unsicherheit der Menschen, ihren Alltag nicht mehr selber bewältigen zu können. In einer immer unüberschaubaren Welt ist die Verunsicherung groß. Der Versuch, eigene Rituale zu finden, scheint oft an der eigenen Überzeugung daran zu scheitern.
Allerdings ist seit einigen Jahren ein neues Interesse an allen möglichen Formen der Ritualgestaltung festzustellen. Dabei handelt es sich um klassische Bräuche und Rituale als auch individuelle, neue Formen. Mit den Fallschilderungen zu „individuellen Ritualen“ zeigt Görke-Sauer die Vielfalt der Möglichkeiten.
Besonders Abschiedsrituale (z.B. Waschen, Ankleiden des Verstorbenen) haben für die beginnende Trauerarbeit eine immense Bedeutung.
„Trauer-Rituale“ stehen dem in nichts nach. Ob es die Grabmalgestaltung, die Grabbepflanzung, Gedenktage oder den Friedhofsbesuch betrifft: Jeder muss seinen Weg finden, mit dem Verlust umzugehen. Nichts ist hierbei „merkwürdig“ oder gar „krank“  - nur wer selbst seine Trauer aktiv gelebt hat, kann ins Leben zurückkehren.
Abschließend ist noch eine Sammlung von Trauertexten und Gedichten angefügt, die allerdings recht kurz ausgefallen ist.

Am Ende des Buches widmet sich Görke-Sauer noch dem Aspekt „Trauer aushalten“. Es ist meist schwierig und anstrengend, Trauernde zu erleben und zu begleiten. Der Umgang mit der eigenen Sterblichkeit ist dabei ein wesentliches Element.
Die Angabe der Literaturempfehlungen ist - wie so oft - eher subjektiv aber angenehm knapp gehalten.

Fazit:
Das Buch bietet Hilfe und Orientierung bei einem Trauerfall und gibt Praktische Anregungen.
Es gibt Hilfestellung und Anregung, wie mit alternativen, neuen Ritualen (etwa den Sarg selber schmücken) der Abschied von einem geliebten Menschen erleichtert werden kann. Es setzt sich aber auch mit bereits bekannten, eingeübten Ritualen auseinander. Darüber hinaus spürt es den vielen Gesichtern der Trauer nach: bei Männern, Frauen und Kindern und hilft bei der Bewältigung von Trauer.
Martina Görke-Sauer hat verständlich und ohne viel Fachvokabular geschrieben – und wendet sich somit auch an Betroffene und Interessierte ohne Vorkenntnisse.
Sehr lesenswert!


Görke-Sauer, Martina
Im Land der Trauer
Abschiedsrituale
Patmos, 09/2006
Buch, 180 Seiten
Preis: 16.90 € (D), 17.40 € (A), 29.90 SFr (CH)
ISBN: 978-3-491-70399-5

 

 

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