Buchtipp - Alexandra Kaiser : “Von Helden und Opfern. Eine Geschichte des Volkstrauertags”

Alexandra Kaiser
Von Helden und Opfern. Eine Geschichte des Volkstrauertags


Durch die Auslandseinsätze der Bundeswehr sind der Soldatentod und das Gedenken daran wieder in der Diskussion. Damit gewinnt auch der Volkstrauertag (wieder) neue Aktualität. Denn er wurde lange Zeit als reine Routineveranstaltung, mit eher reaktionärer Tendenz, betrachtet.
Dass der Volkstrauertrag allerdings eine fast 90jährige Tradition hat, ist kaum bekannt.
Alexandra Kaiser stellt erstmals die Geschichte dieses besonderen Tages umfassend dar: Eingeführt wurde er vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1922 als Gedenktag – privat organisiert - für die im Ersten Weltkrieg gestorbenen Soldaten. Seither wandelten sich seine Inszenierungen und Bedeutungen parallel zum Wechsel der politischen Systeme. Im Nationalsozialismus wurde er zum "Heldengedenktag", in der Bundesrepublik zum "Gedenktag für alle Opfer von Krieg und Gewalt". Der Volkstrauertag ist somit ein „Paradebeispiel“ der deutschen Erinnerungskultur im 20. und 21. Jahrhundert.

Campus Verlag

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Der Leser erfährt grundsätzlich alles zur Entstehungsgeschichte des Volkstrauertages. Faste nebenbei gibt es Interessantes zu erfahren: So z.B., dass der Volkstrauertag eigentlich gar kein „nationaler“ Gedenktag ist, denn dem Bund steht keine Befugnis über die gesetzliche Bestimmung von Feiertagen zu. Es sind die einzelne Länder,  die für das Feiertagsrecht zuständig sind (Ausnahme: Der 3. Oktober!). Träger des Gedenktages ist immer noch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., der die Mitglieder des Deutschen Bundestages und die Spitzen des Staates dazu alljährlich in den Deutschen Bundestag einlädt. Neben diesem offiziellen Termin gibt es auf kommunaler und regionaler Ebene viele Gedenkveranstaltungen, bei denen häufig die Jugend des Volksbundes (Jugendarbeitskreise) mitwirkt bzw. organisiert.
Der Volkstrauertag und seine Festschreibung als Fixpunkt des nationalen Gedenkens beinhalten verschiedene Funktionen: Zum einen sollte der Gedenktag dem Tod der Soldaten einen Sinn verleihen, zum anderen den Hinterbliebenen Trost spenden. Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang Kaisers Feststellung, dass der Volkstrauertag nicht der Kompensation privater Trauer galt. Es gibt dafür auch keinerlei schriftliche Aufzeichnungen, so dass davon auszugehen ist, dass dies auch nie Absicht war. Da es Jahr für Jahr immer weniger Zeitzeugen gibt, ist davon auszugehen, dass die persönliche Betroffenheit immer weniger eine Rolle spielt. Allenfalls die Generation der Kriegskinder ist dafür noch ein Adressat. Der Dienst an und für die Nation steht im Vordergrund, denn das Totengedenken bekommt (leider) wieder eine zentrale Bedeutung (auch) für Deutschland: Deutsche Soldaten werden im Einsatz weltweit getötet und die deutsche Bevölkerung steht diesen Einsätzen kritisch gegenüber. Zugleich schwinden das Interesse und die unmittelbare Erinnerung an die beiden Weltkriege.
Alexandra Kaisers Buch ist ein wichtiger Beitrag für eine notwendige (deutsche) Diskussion zum Thema „Totengedenken“, bei der auch immer mehr zivile Tote und Hinterbliebene eine Rolle spielen.
„Von Helden und Opfern“ liefert dafür das historische Rüstzeug.

Und wer es noch schafft, sollte dieses Buch unbedingt vor dem kommenden Volkstrauertag, 14.11.2010, lesen!

Alexandra Kaiser
Alexandra Kaiser, Dr. rer. soc., ist wissenschaftliche Volontärin im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

462 Seiten, 42 sw Abbildungen
Reihe: Campus Historische Studien, Bd.56
€ 45,00

 

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