Buchtipp - Michael Stolberg: “Die Geschichte der Palliativmedizin ”

Michael Stolberg
Die Geschichte der Palliativmedizin
Medizinische Sterbebegleitung von 1500 bis heute

Palliativmedizin, Palliative Care und Hospizbetreuung sind seit Jahren zum unverzichtbaren Thema aller geworden, die sich in der Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen engagieren. Häufig wird lediglich auf die Herkunft und Geschichte der Hospizbewegung verwiesen. Dabei hat die "Palliativmedizin" eine interessante eigene Entstehungsgeschichte seit der Frühen Neuzeit bis heute. Da das Fachgebiet Palliativmedizin als Pflichtprüfungsfach auch in der studentischen Ausbildung an Bedeutung gewinnt, ist es wichtig, auch über die Herkunft dieser Disziplin Kenntnis zu haben.
Diese Geschichte beschreibt Michael Stolberg äußerst interessant in seinem Buch "Die Geschichte der Palliativmedizin. Medizinische Sterbebegleitung von 1500 bis heute".

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Stolberg gliedert seine Geschichte in drei Teile: Teil I. beschäftigt sich mit der Frühen Neuzeit (1500-1800). Darin wird eine „Archäologie eines modernen Begriffs“ versucht und es werden neben Ethik und Moral Sterbeerfahrungen und Sterbebegleitung im damaligen Alltag beschrieben. Teil II. schildert die Entwicklung der „Palliativen Behandlungspraxis“ im Industriezeitalter (1800-1945). Es ist faszinierend zu lesen, dass es bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Überzeugung gab, der Arzt müsse auch Seelsorger sein (S. 149f.). Besonders im Kontext der Aufklärung kam es zu Auswirkungen zu Fragen im Umgang mit Sterbenden. Hier war es der „Suizid“, der die Verfügungsgewalt über das menschliche Leben neu zu definieren versuchte. Teil III. behandelt die Zeit nach 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Themen „Sterben und Tod“ zunächst Tabu. Die Ausmaße der schrecklichen Kriegsjahre haben zu einer Verdrängung des Themas geführt. Interessant auch hier, dass sich relativ früh in der (angloamerikanischen) Wissenschaft (1950er Jahre) eine Gegenströmung bemerkbar machte, die die ärztlichen, pflegerischen und seelsorgerischen Betreuung betonte (S. 234ff.).
Stolberg macht deutlich, dass der Begriff „Total Care“ inhaltlich schon seit Jahrhunderten existiert und somit keine neue Erfindung darstellt.
Abgerundet wird der Band mit dem Schlusskapitel „Kontinuität und Wandel“ (mit den Themen Medikalisierung, Tabuisierung und Stigmatisierung)  und einer Auswahlbiografie.
Die Darstellung von Michael Stolberg bietet einen guten Überblick zur Geschichte der Sterbebegleitung. Es wäre jedoch zu wünschen, dass bei einer nächsten Auflage die Konflikte und Probleme der Sterbebegleitung der letzten 25 Jahre näher beleuchtet würden.

Gute medizinische Sterbebegleitung und ein menschenwürdiger Tod besitzen in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Auch in früheren Jahrhunderten bemühten sich Ärzte und Pflegekräfte, den Sterbenden einen qualvollen Tod zu ersparen – nur wissen wir darüber noch sehr wenig.
Dieses Buch verfolgt erstmals die Geschichte der Palliativmedizin von der Renaissance bis zur Gegenwart. Anhand zahlreicher gedruckter und handschriftlicher Quellen beschreibt es die lange Tradition der Sorge um das körperliche und seelische Wohl der Sterbenden ebenso wie die alltägliche Praxis am Sterbebett.
Der Autor untersucht auch die Ausführungen von Sterbenden und ihren Angehörigen und beleuchtet den Umgang mit ethischen Fragen, die bis heute nichts von ihrer Dringlichkeit verloren haben.

Zum Autor:
Michael Stolberg, geb. 1957, hat in München Medizin studiert und zunächst als Arzt in der Inneren und der Intensivmedizin gearbeitet. Nach einer Zweitpromotion in Geschichte und Philosophie widmete er sich ganz der Medzingeschichte und veröffentlichte zahlreiche Beiträge und mehrere Bücher zu verschiedenen Aspekten der Sozial- und Kulturgeschichte der Medizin. Seit 2004 ist Michael Stolberg Professor für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg.


Die Geschichte der Palliativmedizin
Einbandart: Kartoniert /Broschiert
303 Seiten
Mabuse Verlag, 2011
ISBN: 9783940529794
29,90 EUR

 

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