Buchtipp - Isabel Richter : “Der phantasierte Tod”

Isabel Richter
Der phantasierte Tod. Bilder und Vorstellungen vom Lebensende im 19. Jahrhundert

Die Autorin forscht bereits seit längerer Zeit zum Thema "Trauerschmuck" und "Einstellung zum Tod" (so u.a. in dem Buch „Das ‚letzte‘ Hemd“. Bielefeld 2010) und legt mit dieser Publikation eine eigene, umfassende Studie vor. Eine „Geschichte des Todes“ (Philippe Ariès) zu schreiben scheint fast unmöglich, denn der Tod ist nicht erforschbar. Erforschbar sind Sterbeprozesse, Sterbende selbst und der Umgang mit dem Verlust eines nahestehenden Menschen. Und dies tut Richter für das letzte Drittel des 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in ihren „Bildern und Vorstellungen“. Einen besonderen Aspekt bilden hierbei die Tagebücher, in denen die Einstellung zum Tod gut ablesbar ist. Hierbei wird deutlich, dass es bereits in der Phase der Aufklärung Hinweise gibt, dass der Leichnam mit Ekel und Schrecken besetzt war.

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In diesem Kontext auch immer wieder aussagekräftig: Haarschmuck - hergestellt aus Haaren des Verstorbenen (S. 150ff.). Der "Körperschmuck aus Haaren in der bürgerlichen Trauerkultur im 18. und 19. Jahrhunderts" war Bestandteil der Trauerriten, da das Haar die Anwesenheit des Verstorbenen verkörperte. Ebenso war es die Postmortem-Fotografie, die dem Betrachter eine dauernde Präsenz des abwesenden Körpers suggerierte. Insbesondere dann, wenn Leichen mit geöffneten Augen ("lebendig") abgebildet wurden. Dies scheint dann Richters These von der Verdrängung der Leiche zu bestätigen: Der tote Körper sollte im Bild als lebendig dargestellt werden, der somit quasi im Leben gehalten wurde.
Nach Ariès "Geschichte des Todes" gab es kein vergleichbar umfassendes Buch zum Thema geschrieben. Isabel Richters kommt diesem Vorhaben für den beschriebenen Zeitraum sehr nah. Besonders die persönlichen Zeugnisse der Tagebücher geben die Vorstellungen vom Lebensende wieder. Anhand dieser Quellen schreibt Isabel Richter eine "Kulturgeschichte des Todes". Dies ist umso interessanter, da der Brauch des Haarschmucks und Totenfotografie in dieser Form nicht mehr existiert. Eine in Ansätzen vergleichbare Form wären Amulette, in die Asche des Verstorbenen abgefüllt werden kann – die letzte, umgewandelte Form eines Menschen.

Isabel Richter
Der phantasierte Tod
Bilder und Vorstellungen vom Lebensende im 19. Jahrhundert
Hardcover gebunden
380 Seiten, 9 farbige und 24 s/w-Abb.
Reihe: Campus Historische Studien, Bd.58
EAN 9783593394244
€ 39,90

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