Buchtipp: Steven Taylor - Die Pandemie als psychologische Herausforderung

Steven Taylor
Die Pandemie als psychologische Herausforderung. Ansätze für ein psychosoziales Krisenmanagement
Psychosozial-Verlag, Gießen 2020

https://www.psychosozial-verlag.de/cms/
 

Lange vor dem neuartigen Coronavirus wurden Szenarien für die Bekämpfung von Pandemien entworfen. Psychologischen Faktoren
und emotionalen Belastungen wurde dabei jedoch nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Mit der Zielsetzung, diese psychosoziale
Dimension stärker zu beleuchten, erschien im Herbst 2019 die englischsprachige Originalausgabe dieses Buches – nur wenige
Wochen vor dem Ausbruch von COVID-19 im chinesischen Wuhan.

Auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien zu früheren Pandemien untersucht Steven Taylor die psychologischen Folgen.
von Pandemien und ihrer Bekämpfung. Es wird deutlich, dass die Psychologie beim Umgang mit einer Pandemie und den damit verbundenen
Einschränkungen wesentlich ist. In seinem Vorwort beschreibt Taylor, dass die gegenwärtige Pandemie die erste im
Zeitalter von sowohl sozialen Medien als auch weltweiter Vernetzung ist. Das hat die Ausbreitung von Informationen – und Desinformationen
– weltweit beschleunigt und geholfen, während der Isolation in Kontakt zu bleiben.

Buchtipp: Steven Taylor - Die Pandemie als psychologische Herausforderung

Die Zeitwahl des Verlages war Zufall, hätte aber nicht besser sein können. Gerade hatte COVID-19 begonnen, die Welt in Atem
zu halten, da erschien das Buch von Steven Taylor über Pandemien auf Deutsch. Während alle wie gebannt auf Infektionszahlen
starrten und sich mit Intensivstationen, Beatmungsgeräten, Masken und den unsicheren Aussichten auf eine Impfung beschäftigten,
konzentriert sich der kanadische Psychologieprofessor schon länger auf einen Aspekt von Pandemien, der bei uns keineswegs
sofort ins Blickfeld kam : die menschliche Psyche.

Wie unsere Gesellschaft die Pandemie überstehen kann, hängt nicht nur von medizinischen und gesundheitspolitischen Fragen
ab : Vieles entscheidet sich auch dadurch, wie Menschen psychisch damit umgehen. Denn sie sind zwei widersprüchlichen Bedrohungen
ausgesetzt : der nicht greifbaren durch ein Virus und der sehr greifbaren ökonomisch-sozialen. Dazu kommt das Ohnmachtsgefühl,
sein eigenes Leben nicht mehr in der Hand zu haben. Das Buch gliedert sich in zwölf Kapitel : Im ersten „Was ist Pandemie ?“ werden Definitionen,
Terminologien und Auswirkungen auf das Gesundheitssystem beschrieben. Im zweiten Kapitel „Moderne Methoden für den Umgang mit Pandemien“ werden Risikound
Krisenkommunikation, pharmakologische Behandlungen sowie Social Distancing beschrieben. In den weiteren Kapiteln (drei bis acht) geht es um die psychologischen
Reaktionen auf Pandemien, die Persönlichkeitseigenschaften, Verhaltensmodelle, das Verhaltensimmunsystem, Verschwörungstheorien und die sozialpsychologischen
Faktoren. In Kapitel neun werden Verbesserungen der Krisen- und Risikokommunikation beschrieben, in Kapitel zehn das verbesserte
Impfverhalten. Die beiden abschließenden Kapitel (elf und zwölf ) sind für die aktuelle Pandemie-Situation (COVID-19) besonders bedeutsam, denn es werden die Behandlung
emotionaler Notsituationen während einer Pandemie und allgemeine Schlussfolgerungen und künftige Entwicklungen erörtert.
Pandemie-Maßnahmen sind immer ähnlich : Hände waschen, Abstand halten, Maske tragen, Menschenansammlungen meiden,
Schulen und Betriebe, Kultureinrichtungen und vieles mehr schließen. Die Basis für die Entscheidungen ist allerdings oft sehr allgemein bzw. unsicher. Damit gehen
Menschen unterschiedlich um – und damit kommt die Psychologie ins Spiel. Die einen bekommen Angst (vor Ansteckung, Verarmung). Andere bagatellisieren oder
lehnen ab. Und wieder andere halten die Pandemie für eine Erfindung und die Wissenschaft für eine böse Macht der Politik. Doch die meisten sind einfach nur überfordert, gestresst,
fühlen sich vergessen, allein gelassen oder sind von Armut bedroht. Darüber wird seit langem geforscht, und darüber berichtet
Steven Taylor in zwölf Kapiteln samt Beispielen aus früheren Seuchen. Am Anfang gibt es nur eins, was das Virus begrenzen und das Gesundheitssystem schützen kann : Verhaltensänderungen. Dies kann letztendlich nur aus Einsicht geschehen. Dafür braucht man eine hochprofessionelle, transparente Krisenkommunikation,
die eigene Unsicherheiten zugibt, Maßnahmen begründet und Perspektiven aufzeigt.

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Steven Taylor
Die Pandemie als psychologische Herausforderung. Ansätze für ein psychosoziales Krisenmanagement
Psychosozial-Verlag, Gießen 2020,
185 S., 19,90 Euro
ISBN-13 978-3-8379-3035-1

 

 

 

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