Buchtipp - Stephanie Witt-Loers: “Trauernde begleiten”

Stephanie Witt-Loers
Trauernde begleiten
Eine Orientierungshilfe


Die gängige Literatur zum Thema „Trauerbegleitung“ wendet sich an vornehmlich gezielt an Betroffene oder Menschen, die diese begleiten möchten. Die „Fronten“ sind klar: Ich als Betroffener brauche Hilfe bzw. ich als potentieller Helfer möchte helfen – aber wie machen wir das?

Im Buch von Stephanie Witt-Loers geht es anders:
Ihr geht es um die „authentische Begegnung“ mit Trauernden, die nicht mehr nur allein den so genannten Experten überlassen werden soll.
Denn Trauernde begegnen uns in allen Bereichen des Lebens, durch alle Gesellschaftsschichten.
Es können der Nachbar, der Kollege oder der Freund sein, die einen (plötzlichen) Verlust erlitten haben. Selbst wenn man es nicht direkt erfahren hat, so spürt man es mitunter: Der Mensch gegenüber verhält sich anders, reagiert anders – und man selbst ist hilflos und ängstlich.

Witt-Loers beschreibt zu Beginn Situationen, bei denn Trauernde auf Nichttrauernde treffen – und markiert in Kästen die jeweiligen Ängste und Reaktionen der Nicht-Betroffenen.
Hier schon wird deutlich, wie viele Situationen es geben kann in der Begegnung mit Trauernden.

Vandenhoeck & Ruprecht

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Dann wird „Trauer“ erläutert: Was Trauer eigentlich ist, dass Trauer nicht nur etwas mit „Tod“ zu tun hat und Trauer vielfältige Auswirkungen (physisch, mental) hervorrufen kann. Wichtig auch der Darlegung, welche Verhaltensreaktionen (sozial) es geben kann und der Hinweis, dass soziale Netzwerke den Trauerprozess positiv beeinflussen können.
Dass „Trauer“ Arbeit bedeutet, die nicht nebenher einfach „passiert“ und sich „naturgemäߓ nach einiger Zeit von selbst „erledigt“, scheint auch heutzutage noch bei vielen Professionellen (Kirche, Bestatter, Friedhofsverwalter etc.) nicht angekommen zu sein. Daher ist es immer wieder wichtig darauf hinzuweisen – insbesondere auch, dass es erschwerte („komplizierte“) Trauer gibt und welche Risikofaktoren dazu führen können. Darunter führt Witt-Loers u.a. auf: Eine ambivalente Beziehung des Hinterbliebenen zum Verstorbenen, wenn Vorverluste nicht betrauert werden konnten, wenn aktuell zusätzliche Verluste (Arbeitsplatz, zu Hause) zu betrauern sind oder wenn der Tod plötzlich und unerwartet kam.
Da „Trauer“ Arbeit bedeutet, widmet sich Stephanie Witt-Loers ausführlich den „Traueraufgaben“: Vom Phasenmodell (von dem die moderne Trauerforschung immer mehr abweicht) zu den Traueraufgaben von William Worden, ergänzt durch Erweiterungen von Chris Paul.
Eine breiten Raum nimmt die Frage nach dem Objekt der Trauer ein: „Trauer – um wen?“
Diese Ausgangsfrage ist wesentlich für eine Begleitung und sollte nicht immer als einfaches Faktum betrachtet werden.
Da es in dem Buch um die Trauerbegleitung geht, wird dieser Aspekt umfänglich dargestellt: „Eigene Fähigkeiten überprüfen“ und „präzise Absprachen treffen“ oder „einen guten Einstieg“ finden seien dafür nur beispielhalft genannt: Eigentlich alles grundsätzliche, vermeintliche einfache Dingen im Umgang mit Trauernde, die aber selbst bei Fort-und Weiterbildungen leider allzu oft vernachlässigt werden. Gerade diese „grundlegenden Aspekte der Begleitung“ (Kap. 5.4.) machen eine gute Begleitung aus.
Nicht erst seit Roland Kachler wird auch von Therapeuten der Standpunkt vertreten, dass dem Verstorbenen ein neuer Platz im Leben der Hinterbliebenen zugewiesen werden sollte.
Nach einer langen Tradition, nach der immerzu das „sich Trennen“ vom geliebten Menschen gelehrt wurde, hat sich nun die Ansicht durchgesetzt, der Verstorbene sollte nicht „verbannt“ werden. Und dieser Standpunkt ist gut.
Am Schluss ihres Buches gibt Stephanie Witt-Loers hilfreiche Hinweise zur Formulierung von Beileidschreiben. Hierbei ist es wie beim Kondolieren (zu Hause bzw. auf dem Friedhof): Es herrscht große Unsicherheit und Nichtwissen.
Zahlreiche Tipps zu interessanten Adressen (Internet) und Literatur runden das Buch ab.

Auf lediglich 160 Seiten bietet der Band mehr Informationen als viele umfangreiche Fachbücher zum Thema Trauerbegleitung. Er ist daher auch für Institutionen, in Hospizen, in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, in Firmen und in Schulen zu empfehlen.

Die Autorin
Stephanie Witt-Loers ist Kinder- und Familientrauerbegleiterin und Trauerbegleiterin in eigener Praxis. Sie ist Fachbuchautorin und arbeitet unter anderem auch am Kindertrauerzentrum Thalita des Kinder- und Jugendhospizes Balthasar in Olpe. Als Fortbildungsreferentin ist sie für Lehrer, Erzieher, Hebammen, Pflegepersonal, Sozialpädagogen, Seelsorger, Ärzte, Trauerbegleiter sowie im Hospiz Arbeitende tätig und hält Vorträge zum Themenbereich. Die Autorin ist Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Bergisch Gladbach.


Stephanie Witt-Loers
Trauernde begleiten
Eine Orientierungshilfe

1. Auflage 2010
160 Seiten mit einer Abb. und mit 47 Beispielen für Beileids- und Trostbriefe zum Download, kartoniert
16,90 € [D]
ISBN 978-3-525-63020-4

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