Buchtipp - Dorothee Döring: Die Brücke zurück ins Leben finden

Anknüpfend an die Besprechung von „Im Land der Trauer. Abschiedsrituale“(Martina Görke-Sauer) soll nun „Die Brücke zurück ins Leben finden“ von Dorothee Döring Gegenstand einer Besprechung sein. Auch hier wird eine Brücke zum Symbol - auch visuell auf dem Buchcover.
Das Buch unterteilt sich in drei Abschnitte: „Hilfen im Trauerfall“, „Trauerwege sind individuell – Hilfen für Trauernde“ und „Begegnung und Kontakt“.
Bereits in der „Einführung: Trauer ist ein heilsamer Prozess“ betont Döring, dass es keinen Trost für Trauernde gibt – nur Beistand. „Das Wichtigste, das man für einen Menschen im Trauerprozess tun kann, ist, für ihn da zu sein“, so Döring weiter. Dies scheint nicht unbedingt im Einklang mit gängigen psychologischen/psychotherapeutischen Lehren zu stehen, denn dort wird ja eher das aktive Arbeiten am „Loslassen“ propagiert. Doch Döring liegt hier meiner Meinung nach völlig richtig – was auch durch meine persönlichen Erfahrungen gestützt wird. Und Döring weiter: „Eigentlich ist es nicht viel, was man tun muss: Dem anderen offen gegenübertreten, aufmerksam sein, zuhören und ehrlich sein […]“


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Dorothee Döring
Die Brücke zurück ins Leben finden
Hilfen für Trauernde nach dem Verlust eines geliebten Menschen

1. Auflage 2007
176 S. Ebr. Klappenbroschur
Format: 12,8 cm x 20,0 cm
EUR 12,95 [D] / EUR 13,40 [A] / SFr 23,80
ISBN 978-3-579-06434-5

Im ersten Kapitel „Hilfen im Trauerfall“ erklärt Döring, was ein Ritual ist und wozu man es braucht. Subjektive Äußerungen wie: „Die Beerdigung ist ein Ritual, auf das wir unseren Schmerz und unsere Fragen projizieren können. Und es geht uns danach besser!“ sind zwar hilfreich, aber zu sehr auf sich (bzw. die Autorin selbst) bezogen. Es ist wünschenswert, dass die Beerdigung eine - wie auch immer geartete – Erleichterung der Trauernden hervorruft, kann aber nicht festgeschrieben werden. Es gibt genug Fälle, bei denen dies – leider – nicht der Fall ist.
Sehr schön wird von Döring dargelegt, dass die Beerdigung nur ein Ritual von vielen im Trauerprozess ist: Da gibt es u.a. das Kerze entzünden beim Todeseintritt, das Gebet, das Ausschmücken des Sterbezimmers, die Kondolenzbesuche, die Trauerzeit und die Grabpflege. 
Dann geht es über die „Organisation von Trauerritualen in der Familie“ (ob allerdings Geld/Versicherungen/Verträge zu den „Trauerritualen“ zählen, weiß ich nicht) zur „Trauerfeier, Trauergespräch, Trauerrede, Nachruf“ und den „Formen der Beerdingung“. Hier


Hilfreich sind auch die im gesamten Buch immer wieder integrierten Zitate von Betroffenen, die zum jeweiligen Thema die Authentizität erhöhen.
Unter Punkt „4. Formen der Beerdigung“ werden die unterschiedlichen Bestattungsformen erläutert, aber auch zu Grabbeigaben ermutigt. Neben Erd- und Feuerbestattung wird die Seebestattung und die anonyme erwähnt - und am Ende die Friedwälder. Leider bleibt unerwähnt, dass es mittlerweile auch die Möglichkeit der Beisetzung an Bäumen auf Friedhöfen gibt. Außerdem ist folgende Aussage nicht korrekt bzw. veraltet: „Noch gibt es hierzulande erst zwei Friedwälder, [...]“. Bei einer Publikation im Jahre 2007 sollte doch besser recherchiert werden, denn es existieren nach eigenen Angaben der FriedWald GmbH 17 Wälder (Stand: Mai 2007), zur Drucklegung sicher ca. 15.
Bei der Beschreibung des „letzten Geleits“, also wie der Verstorbene vom Ort der Trauerfeier zum Friedhof gelangt, ist besonders positiv der letzte Absatz zu erwähnen:
„Wem das feine Empfinden für den richtigen Ton, die richtige Zeit, den guten Geschmack, für Takt und Anstand abhanden gekommen ist oder diese Dinge nie kennen gelernt hat, der versteht sie nicht, die Kunst der Unterscheidung. […], Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme statt Verletzungen könnten wieder dafür sorgen zu zeigen, dass wir Menschen sind und dass es genau diese kleinen Dinge sind, die unserer Kultur ausmachen, die zeigen, dass wir Stil, Niveau und Sensibilität und Herzensbildung haben. […]“
Ein hehrer Anspruch, dem nur zugestimmt werden kann. Doch wenn man heutige Bestattungen, Trauerfeiern etc. beobachtet, ist wohl noch viel Arbeit vonnöten. Und es sind nicht immer nur die Hinterbliebenen, die Anstand und Takt vermissen lassen!

Das Kapitel „Trauerwege sind individuell – Hilfen für Trauernde“ nimmt den größten Raum ein:
Hier beschreibt Döring die unterschiedlichen Trauergruppen und beginnt mit verwaisten Eltern.
Insbesondere die Ermutigung („Das hilft Eltern in Trauer“) zu einer „aktiven“ Trauerarbeit ist aufbauend. Dazu gehören dann auch die „Hilfen von anderen für trauernde Eltern“.
Ebenfalls positiv zu vermerken ist, dass Döring sich spezielleren trauernden Gruppen zuwendet – so Verwitweten und besonders Kindern.
Auch ein nach wie vor tabuisiertes Thema wird berücksichtigt, nämlich die „Trauer nach Suizid“.
Im letzten Kapitel „Begegnung und Kontakt“ erörtert Döring die vielfältigen Möglichkeiten, nach einem Verlust wieder Kontakte zu knüpfen und somit wieder ein Stück zurück ins Leben zu finden. Es können der Friedhof (seit jeher Ort der Kommunikation), gemeinsame Freizeiten oder Gesprächskreise sein. Auch hier wird leider wieder zu einseitig über verschiedene Angebote informiert: Fritz Roths „Haus der menschlichen Begleitung“ und die dortigen Gesprächskreise sind zwar unbestreitbar gut und wichtig – aber nur eine Möglichkeit unter vielen. Die sonstigen sind ebenfalls zu regional eingegrenzt. Die im Anhang aufgeführte Literatur und Adressen sind nicht umfassend, aber ausreichend.
Aber auch hier wieder: Fehler! Weshalb die Adresse der Verwaisten Eltern in Deutschland e.V. mit Reppenstedt angegeben wird, ist unverständlich. Eine kurze Recherche hätte hier ausgereicht um festzustellen, dass die Bundesgeschäftsstelle in Leipzig beheimatet ist.

Fazit: Das Buch ist lesenswert und reicht für einen Überblick zum Thema aus und ist eher für Trauernde bzw. Angehörige zu empfehlen. TrauerbegleiterInnen oder Mitarbeitende in Hospizen werden nichts Neues finden. Hilfreich ist das Kapitel „Trauerwege sind individuell – Hilfen für Trauernde“, das im Zusammenhang mit der erwähnten Zitaten von Betroffenen gut genutzt werden kann.
Ob das Buch hilft, Trauernden einen Weg zurück ins Leben aufzuzeigen, werden die genannten Zielgruppen entscheiden müssen. Vieles wird leider zu knapp gehalten.
Zudem sind leider Fehler zu verzeichnen, die hätten vermieden werden können; es wird sicherlich eine 2. Auflage geben…
Aber schon die Auflistung der vielen „Gesichter der Trauer“ wird für viele Leser überraschend sein. Durch die Fallbeispiele und Originaltöne bewirkt Dorothee Döring Authentizität und Praxis.

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