Buchtipp - Barbara Schaefer: “Das Mädchen, das gehen wollte”

Als Barbara Schaefer erfährt, dass ihre Freundin Katja am Hohen Dachstein tödlich verunglückt ist, packt sie das Nötigste in einen Rucksack und verlässt Berlin in Richtung Süden. Sechs Wochen lang läuft sie 30 bis 40 Kilometer am Tag über Dresden, Theresienstadt, durch Böhmen nach Prag und weiter in Richtung Österreich. Schon immer konnte Barbara Schaefer durch das Gehen Energie tanken, jetzt hilft es ihr, der Trauer nachzuspüren und Abschied zu nehmen. Eine besondere Reise, auf der die Autorin zurück ins Leben findet.

Es gibt zahlreiche Methoden, Übungen und Herangehensweisen, um Trauer zu "verarbeiten". Sicher gehören auch die berühmten Pilgerreisen dazu, die seit geraumer Zeit - auch durch Prominente (Hape Kerkeling) - in den Medien präsent sind.
In der "normalen", alltäglichen Trauerarbeit ist das Laufen eher ein Spazierengehen, das ganz privat, für sich, unternommen wird. In Ihrem Buch macht Barbara Schaefer ihren "Spaziergang" öffentlich -  und es ist faszinierend und beeindruckend, wie sie durch das Laufen wieder zu sich, ins Leben , zurückfand.

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Interview mit Barbara Schaefer
»Es gibt keinen Trost für so einen Verlust. Aber ich fand zurück ins Leben. Auch unserer Freundschaft zuliebe.«

Frau Schaefer, als Sie die unfassbare Nachricht erhielten, dass Ihre Freundin Katja am Hohen Dachstein in Österreich tödlich verunglückte, machten Sie sich zu Fuß von Berlin auf den Weg in die Alpen, um Abschied zu nehmen. Was hat Sie zu dieser Wanderung bewegt?
Ich konnte mein Alltagsleben nicht einfach weiterführen wie bisher, fühlte mich hilflos und verlassen. Eigentlich hatte ich geplant, nach China zu reisen, aber der Gedanke, allein in Shanghai zu sein, machte mir Angst. Katja und ich waren oft zusammen in den Bergen unterwegs. Also brach ich auf, um zu Fuß an den Berg zu kommen, an dem sie abgestürzt war. Vier bis sechs Wochen sollte das dauern. Das mag verwegen klingen oder verrückt. Mir erschien es einfach logisch und richtig.

Eine ungewöhnliche Art zu trauern, oder?
Für mich nicht, weil das Gehen an sich für mich etwas elementar Wichtiges ist. Schon als Jugendliche träumte ich davon, einfach weiterzugehen, nicht in die Schule, sondern hinaus in den Wald. Nicht aus Frust. Ich war einfach ein Mädchen, das gehen wollte.

Also eine Art Pilgerreise?
Ich nenne das nicht pilgern. Ich gehe einfach. Ich habe einige lange Reisen zu Fuß unternommen. Nach Katjas Tod fand ich so mein seelisches Gleichgewicht wieder. Und die Reise gab mir die Freiheit, an Katja zu denken.

Wie haben Sie die Reise geplant?
Ich habe nicht viel geplant. Ich kaufte mir möglichst genaue Karten und zog mit einem Textmarker einen Strich nach Süden. Von Berlin in Richtung Dresden, durch die Sächsische Schweiz, über Theresienstadt durch Böhmen nach Prag, weiter in Richtung Passau, nach Österreich bis zum Hohen Dachstein. Ich habe keine Hotels gebucht, bin 30 bis 40 Kilometer am Tag gegangen. Irgendein Gästezimmer zum Übernachten findet man immer.

Wie sind Sie unterwegs mit dem Alleinsein zurechtgekommen? Hat Sie die Trauer nicht auch manchmal gelähmt?
Nein, wenn es so gewesen wäre, hätte ich abgebrochen. An vielen Tagen war sogar das Gegenteil der Fall. Ich war beschäftigt, ich musste ja gehen. Da spürt man das Alleinsein nicht stets. Manchmal war es lustig, die Natur begeisterte mich, ich regte mich über Leute auf oder hatte gute Gespräche. Und manchmal fand ich mich großartig, kühn und heldenhaft. Vor allem, wenn es regnete.

Es war eine Wanderung, von der Sie gestärkt und zuversichtlich zurückgekehrt sind. Warum?
Ich glaube, das Gehen bewirkt das. Das Rhythmische, auch Monotone, das kann Ruhe geben. Vielleicht wie Rosenkranzbeten. Oder andere Trauerrituale. Es gibt keinen Trost für so einen Verlust. Aber ich fand zurück ins Leben. Auch unserer Freundschaft zuliebe.

randomhouse/webarticle

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