Buchtipp - Peter Andreas: Im letzten Garten. Besuch bei toten Dichtern

Was bewirken die Grabstätten berühmter Personen beim Friedhofsbesucher? Wieso ziehen Friedhöfe mit viel „liegender“ Prominenz so viele Besucher an?
Es ist wohl die Atmosphäre, die Aura, die viele Menschen anzieht und fasziniert. Und wenn schon nicht zu Lebzeiten, so hat man wenigstens jetzt die Gelegenheit, diesen Berühmtheiten einmal ganz nahe zu sein.
Es sind nicht nur die "Klassiker" - die großen Schauspieler oder Musiker - sondern auch immer mehr die Stars unserer Popkultur: Gräber wie die von Jim Morrison (Paris) oder Falco (Wien) zeigen es.

Der Autor Peter Andreas hat rund 120 Gräber bekannter Dichter in Deutschland und im Ausland fotografiert, sehr stimmmungsvolle, gekonnte schwarz-weiß Aufnahmen, die den Leser schon wegen ihrer Wirkung neugierig machen auf das geschriebene Wort der jeweiligen Dichter.
Der Hildesheimer Gerstenberg Verlag hat mit der Herausgabe eines Werkes über tote Dichter große Anerkennung verdient.
Ähnlich wie bei dem Buch des gleichen Autors „Gräber unsterblicher Komponisten" werden hier Grabstätten einer Künstlergattung betrachtet, so dass der Leser zugleich ein Nachschlagewerk bekannter Dichter zur Hand hat. Ideengeber für den Buchtitel kann denn auch der in Berlin bestattete Dichter Gottfried Benn gewesen sein, der sagte: „Was wäre der Sommer ohne die Flüge der Schwalben, und was wäre das Land ohne die Gräber der Dichter".
Das Vorwort zu diesem sehr ansprechend aufgemachten Werk schrieb Günter Kunert, der der Frage nachgeht, was wir vom Anblick der Grabstätten bekannter Dichter erwarten.

Den Fotos stellt Peter Andreas Texte, Sequenzen oder Gedichte zur Seite, die sich mit Gräbern, dem Tod oder dem Sterben befassen - zum Beispiel der Text von Joseph Roth mit dem ausgefallenen Titel,, Ich halte nichts von Menschen, die im Sterben lügen" oder dem für mich beeindruckenden Tagebucheintrag von Franz Kafka mit dem Eingangssatz: "Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben [...]"

Fazit: Es ist ein sehr informatives und inhaltsreiches Buch, aus dem der Leser nicht nur viel lernen kann, sondern auch an das intensive(re) Betrachten bekannter Gräber herangeführt wird.
Für viele Leser dürfte es zudem oft Überraschungen geben, wo denn eigentlich der jeweilige Dichter seine letzte Ruhe gefunden hat. Selbst für mich als Historiker und Germanisten gab es immer wieder "Aha-Erlebnisse".
Dieses Buch kann ich nicht nur den an Literatur und Dichtkunst Interessierten empfehlen, sondern würde es auch im Schulunterricht und an Universitäten als ergänzendes Lehrbuch einsetzen - zu oft erledigt sich die Wissensvermittlung zum Thema "Tod" mit der Nennung des Sterbedatums!
Man kann sich nur weitere Werke dieser Art wünschen - die Kulturgattungen sind ja längst nicht erschöpft.
Ein sehr präziser Quellen- und Grabstättennachweis und ein Register runden dieses bemerkenswerte Buch sinnvoll ab.

Peter Andreas, IM LETZTEN GARTEN. Besuch bei toten Dichtern, mit einem Vorwort von Günter Kunert, Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2005, 216 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 24,90 €, ISBN 3-8067-2940-9.

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